So Leute, ich muß doch jetzt endlich mal meinen Reisebericht von unserer Sylvester-Tour zum Besten geben, bevor ich wieder alles vergessen habe und noch wichtiger, bevor ich schon wieder die nächsten Touren drehen werde. ;-)

22.12.2006; Anfahrt

Oh Gott, viel zu früh! Das ist mir noch nie passiert!
Um die Mittagszeit ist das ganze Gerümpel im Auto verstaut und in 24 Stunden soll die Fähre in Genua ablegen. Die hat zwar bisher immer stundenlange Verspätungen gehabt, aber wenn ich mal unpünktlich sein sollte, fährt sie garantiert auf die Minute genau ab.
Also tschüss gesagt und auf die Piste gen Süden. Der Tacho zeigt 16421 km, wobei er dezent die doppelte Umrundung verschweigt, die er schon hinter sich hat. Wenn technische Probleme auftreten sollten, ich in einen Stau komme oder müde werde, hätte ich also ein gutes Zeitpolster. Es kam, wie es kommen mußte: keine Probleme, kein Stau und keine Müdigkeit. Der Vitara läuft wie am Schnürchen und nur kurz vor den St. Gotthard-Tunnel geht es etwas schwerfälliger, so daß ich gegen Mitternacht, unter Mißachtung sämtlicher Fahrbahnmarkierungen und Geschwindigkeitsbegrenzungen in Genua einschwebte. Die Autobahn war menschenleer und ich folgte einfach nur einem Laster vor mir, dessen Fahrer die Strecke genau so gut zu kennen schien wie Michael Schuhmacher die Straßen von Monte Carlo. :-)
Nur was macht man um Mitternacht am Hafen von Genua? Die Stadt ist bis zum letzten Winkel hell erleuchtet und am erste Parkplatz, den ich anfuhr standen lauter frierende junge Damen in, der Jahreszeit nicht angepassten, kurzen Röcken und Blusen…
Naja, für solche Spielchen ist der Vitara wahrlich zu kurz. :twisted:
Also noch schnell eine kleine Rundfahrt angehängt und einen ruhigen und dunklen Ort in den Bergen hinter Genua gesucht. Eine Schöne Gegend, die könnte man auch einfach mal so besuchen.

23.12.2006; Genua

Irgendwann morgens ging es mir ähnlich wie den Damen am Vortag, weil ich zu faul war den Schlafsack heraus zu kramen fror ich jämmerlich, es ist eben Ende Dezember. Also den Vitara wieder angeworfen und durch Täler und Schluchten zurück nach Genua. Gelobt sei mein TomTom-Navigationsprogramm, ich hätte sonst nie wieder zurück gefunden. Am Hafen erstmal einen Supermarkt gestürmt und meine Biervorräte aufgefüllt. Allerdings kostet das Zeugs in Italien so viel, da kann ich das nächste Mal den Stoff gleich in Deutschland kaufen und auf das Dosenpfand pfeifen. (PS. noch besser ist es das Bier als 5-Liter-Partyfässer zu kaufen – nix Pfand und am abendlichen Lagerfeuer findet man viele Freunde, die gerne einen mittrinken würden…)
Nächste Amtshandlung: Frühstück. Oh, ein Nordamerikanisches Spezialitätenrestaurant mit den goldenen Bögen: McFrühstück gibt es doch garantiert auch auf italienisch… Pfeifendeckel – „Scussi, wir öffnen erst ab 11:00 Uhr…“ Bin ich heute nur vom Pech verfolgt? Wo ist der blöde Clown, damit ich mich beschweren kann? Okay, dann wenigsten in der angrenzenden Espresso-Bar noch einen kleinen Muntermacher geschlürft und dann ab zum Hafen.
Ich fahre jetzt nun schon das vierte Mal nach Tunesien und wirklich jedesmal ist die Zufahrt zur Fähre eine andere. Ich verfahre mich wieder auf dem Hafengelände und werde irgendwie dort heraus gespült. Also noch einmal retour in den Dschungel von Genua – Danke lieber TomTom, bei den drei Ebenen der Hochstraße hast du es wahrlich nicht leicht gehabt, aber trotzdem hast du mich sicher zum Ziel geführt…
Die Jungs an der Eingangskontrolle schauten dann vielleicht blöd: zwei weiße Vitaras, die nach Tunesien wollten… ;-)
Dank meiner aufgeschnallten Sandbleche war wenigsten meine Reiserichtung klar: Sahara! Beim zweiten Anlauf klappte es dann besser und all die freundlichen Einweiser schickten mich fleißig immer weiter in Richtung „Kartaaaasch“. Auf einmal stand ich auf dem Abfertigungshof in der Warteschlange und durfte dem verdutzen Kontrolleur erklären (Ich kein italienisch – er nix anderes…), daß ich Mitglied einer Reisegruppe bin und der Tour-Guide mit den Tickets. Bordkarten usw. noch nach kommt.
OK, also das Handy gezückt und mal abgeklärt was Sache ist. Natürlich wartet die Truppe an einem Treffpunkt im Hafen auf mich, der so nicht abgeklärt war, weil es letztes Jahr hier noch ganz anders aussah und den ich nicht mitbekommen habe, da ich ja der erste war…
Egal ich bin schon drinnen und der Rest kann nachkommen. Genau das geht irgendwo unter und erst nach einem weiteren Telefongespräch herrscht Klarheit: „Der Volker kommt nicht mehr, der Volker ist schon da…“. Also rückt der Rest der Truppe endlich nach, aber leider zu so einem ungünstigen Zeitpunkt, daß der eigentliche Wartebereich gefüllt ist und sie auf einen Reserveparkplatz verwiesen werden. Dort standen sie dann so unglücklich, daß sie erst Stunden nach mir, quasi als das Allerletzte auf die Fähre fahren konnten. Toller Einstand :!:
Über die Verspätung der Fähre brauche ich unter Eingeweihten wohl keine Aussage zu treffen: meine geschätzten 6 Stunden wurden mit 5h45 knapp unterboten.

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Alle warten auf die Fähre; die kleinen Autos müssen alle in den „Keller“

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Organisiertes Chaos…

24.12.2006; Genua – Tunis

Okay, wir waren jetzt alle wohlbehalten auf dem Schiff und der Urlaub konnte beginnen…
Zum Abendessen das erste beschnuppern der Gruppe. Mit einigen bin ich auch ohne Touren-Fahrerei befreundet, einige kannte ich von früheren Touren und einige sah ich das erste Mal. Schaun’mer’mal, was dabei herauskommt. Die lange Warterei zerrte bei einigen schon an den Nerven und die Angst vor der bevorstehenden Überfahrt (ich sage da nur: Seekrankheit!) tat sein übriges. Nach ein paar Bierchen an der Bar ging es recht früh zu Bett, nicht ohne zuvor noch schnell die tunesischen Einreiseformulare auszufüllen und abstempeln zu lassen. Wer glaubt, die Deutschen wären bürokratisch, war noch nie in Tunesien…
Am nächsten Morgen dann ein französisches Frühstück (Kaffee, Croissant, und Brötchen mit Marmelade – also nicht der Rede wert…), ein leckeres Mittagessen und dann am frühen Abend Anlandung in Tunis. Ich durfte mit meinem kleinen Vitara im Keller stehen und wurde zudem noch zu einem beschissenenn Platz dirigiert. Einige freundliche Worte mit dem Lademeister: „Tunesien hat bei der Fußball-WM hervorragend gespielt. Schade, daß sie nicht weiter gekommen sind…“ und ein paar silberglänzende Kugelschreiber können aber in so einer Situation Wunder wirken…
Alle Tunesier mußten stehen bleiben, damit ich aus meiner Ecke raus konnte… :-)
Ein Pärchen mit einem umgebauten SJ mit LJ-Karosserie nutze die Chance gleicht mit das Schiff zu verlassen.
Draußen aus der Fähre empfängt uns Tunesien dann mit REGEN! Hey, ich bin hier um Urlaub zu machen… Stoisch winken uns die Grenzer in unsere Bahnen, um dann das gewohnte Prozedere ablaufen zu lassen: Ausweiskontrolle und Zollkontrolle, für Touristen alles etwas beschleunigt. Die armen Tunesier müssen ihre vollbeladenen Fahrzeuge komplett aus- und abräumen und nachher wieder alles verschnüren… Horror!
Ruck-Zuck bin ich aus dem Hafengelände draußen und warte wieder einmal auf den Rest der Truppe. Nach und nach trudeln alle ein, bis auf ein Paar, das im Gedränge seine Papiere verloren hat. Die finden sich dann an der Rezeption des Schiffes, wo sie ein ehrlicher Finder, samt allen Bargeldes, abgegeben hat. Ich glaube bei uns wäre das nicht so glimpflich ausgegangen.
Unser erstes Hotel ist nur ein paar Minuten vom Hafen entfernt. Gunther Schneider von Ventura-Tours, der unsere Reisegruppe leitet, kennt die Verspätungsprobleme schon seit 15 Jahren und möchte nicht mehr erst noch lange nach seinem Hotel suchen. Also die Autos vor dem Hotel abgestellt – der hühnenhafte Türsteher wird heute Nacht ein Auge auf sie haben – kurz frisch gemacht und ab zum Abendessen. Sogar ein Weihnachtsbaum blinkt wie eine Lichtorgel im Saal – Ach, wie stimmungsvoll… ;-)

25.12.2006; Tunis – Douz

Unser erster Tag in Afrika! Der Regen hat aufgehört und die Sonne begrüßt uns auf ihrem Kontinent.

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Am Strand von Tunis

Frühstücken, packen, auschecken, tanken und ab geht es in Richtung Süden. Der Regen der letzten Tage hat Nordtunesien in eine Seenplatte verwandelt. Wir fahren über die Autobahn bis kurz vor Kairouan und dann weiter über Landstraßen nach Gabes, nur unterbrochen von einer Mittagsrast und einem Kaffee+Tankstop bei Skhira. Über Matmata und einem Stop an einer der typischen Höhlenwohnungen geht es nach Westen, der Sonnen entgegen, nach Douz – dem Tor zur Sahara.

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Tunesien, eine Seenlandschaft ?

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Dem Sonnenuntergang entgegen

Im letzten Sonnenschein erreichen wir Douz – ein Höllenritt über 550 km! Die Alternative wäre ein Camp im Outback, aber irgendwie sind wir noch verwöhnt und ziehen unsere Zimmer im Hotel Le Saharien Paradies mitten im Palmenhain von Douz, mit warmen Duschen und abendlichen Büffee, dem campen weit ab der Zivilisation vor. Da zudem immer noch Weihnachten ist, lassen wir uns die festliche Stimmung nicht verderben. Einer der Teilnehmer hat eine Schwarzwälder Fichte mit auf der Ladefläche, ein anderer Christbaumkugeln im Form von kleinen Pannacotta-Kuchen, ein dritter die notwendigen Kerzen, samt Haltern und ein weiterer jede Menge Schokoladenweihnachtsmännern, von denen wir die meisten an die tunesischen Kellner, für deren Kinderschar :-), weitergegeben haben. So erstrahlt also im fernen Douz ein herrlicher Weihnachtsbaum und verkündet die frohe Botschaft: Deutsche Touristen sind da… :twisted:

26.12.2006; Douz

Douz ist so schon im Normalzustand eine quirlige Stadt, aber um die Weihnachtszeit geht dort die Post ab. Das hat jetzt nicht mit unseren Wertvorstellungen von Weihnachtstrubel zu tun, sondern eher damit, daß Ende Dezember in Douz ein Sahara-Festival statt findet, an dem sich die Berberstämme Nordafrikas treffen. Man trifft sich auf dem großen Marktplatz um Geschichten zu erzählen, zu tanzen und zu musizieren, um ein Schwätzchen zu halten und um einen Tee zu trinken. In der großen Wettkampfarena finden Kamelrennen und Schauvorführungen statt.

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Tunesische Folkloregruppe auf dem Souk von Douz (zum Video, ca. 10MB)

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Geschichtenerzähler vor hunderten von Zuhörern (zum Video, ca. 7MB)

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Die Schönheiten warten auf ihren Auftritt

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Geschäftiges Treiben auf dem Marktplatz

Unser trachten galt aber mehr dem Auffüllen unser Treibstoff- und Wasservorräte, sowie den letzten Einkäufen vor der großen Wüstentour. Mein Turbantuch, hier Cheche genannt (gesprochen Tschesch), liegt natürlich wieder einmal zu Hause. Also gleich ein neues gekauft und auch noch gleich ein Tuareg-Kreuz um den bösen Blick zu bannen. Da ich die enge Kette nicht so ohne weiteres um den Hals bekomme, ordere ich eine Sonderanfertigung mit einer extra langen Glasperlenkette. Der arme Kerl saß dann mehrere Stunden daran, die fitzekleinen Perlchen wieder auf eine Schnur auf zu pfriemeln.

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Schmuckhändler bei der Arbeit

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Hier gibt es alles was man zum Leben braucht…

Nach einem Picknick in den Dünen hinter Douz versuchten wir uns erstmals im Sand. Die Gruppe ist mit 13 Fahrzeugen und 21 Personen recht groß. Zudem hat ein Großteil der Teilnehmer keinerlei Wüstenerfahrung und so gilt es erst einmal ein Gefühl für dieses Terrain zu bekommen. Der Luftdruck wird abgesenkt, damit die Reifen eine größere Aufstandsfläche bekommen, alles Lose im Auto wird festgezurrt, da es sonst nur einem um die Ohren fliegen würde und los ging es in die ersten Dünen. Schnell hat man heraus wieviel Schwung man braucht um die Düne zu erklimmen und wieviel Reserve noch nötig ist um auch auf der anderen Seite weiterfahren zu können. Auch konnten gleich die ersten Bergetechniken ausprobiert werden, weil es einfach nicht ausbleiben konnte, daß sich hier und da jemand festfährt.

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Hier waren die Dünen noch recht zierlich

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Sobald der Sand fliegt hat man verloren

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Aber es ist immer jemand in der Nähe, der einem mal kurz von der Düne ziehen kann

Dank des höheren Fahrwerkes und der größeren Reifen schlägt sich mein Vitaralein recht wacker. Nur einmal saß ich längs auf einem Dünenkamm, den ich zwecks besserer Fotoperspektive erklommen hatte und ließ mich sicherheitshalber rückwärts wieder runter ziehen. Eine Abfahrt erschien mir wegen der Schräglage etwas zu riskant.

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Ein Vitara im Sand

Nach der Spielerei wurden die Autos noch mal vollgetankt und es ging zum Abendessen zurück ins Hotel. Danach war auch unser einheimischer Führer Amor eingetroffen und es wurden die Pläne für die nächsten Tage in der Wüste besprochen.
In unserem Hotel feiert eine algerische Schulklasse ihren Klassenausflug und so geht der Abend mit tunesischen Gesängen, bei Bauchtanzmusik und Getrommel zu Ende. Einer unserer jüngeren Mitfahrer verliert sein Herz an eine der Schönheiten aus tausendundeiner Nacht und es fällt ihm am nächsten Morgen sichtlich schwer Adieu zu sagen. :bye:
Tja, wenn man eine Reise macht, da hat man etwas zu erzählen…

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Mittendrin statt nur dabei

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Die Musik geht ins Blut (zum Video, ca. 11MB)

Fortsetzung folgt…

Mottek